Adipositas mal zwei: Brüder wagen nacheinander den Magenbypass gegen Fettsucht

Ob er sich Sorgen gemacht habe? „Klar, er ist doch mein Bruder.“ Stefan blickt zu Christian. Das erste Mal in diesem Gespräch stockt es für wenige Sekunden. Man erahnt Emotionen. Es sind knapp drei Monate seit ihren OPs her. Die beiden Dortmunder haben einen langen Weg gemeistert, aber wie das bei Männern so ist: Man gibt sich eher betont cool. Allein schon, weil sie so sicherlich auch all die Jahre besser auszuhalten waren: die vielen Blicke und die ach so guten Ratschläge wie „Iss doch einfach weniger“ oder „Macht halt Sport“. Stefan (37) und Christian (34) litten an krankhafter Fettsucht (Adipositas), wogen zu Spitzenzeiten zusammen fast 400 kg und entschieden sich nach vielen Jahren der Diäten und langen Läufe für eine Operation im Adipositas-Zentrum des Klinikums Dortmund. Der letzte Ausweg.

„Ich konnte mich zum Schluss selbst nicht mehr ertragen“, erinnert sich Christian. Stefan grinst zustimmend. Die beiden wohnen zusammen. Vor knapp sieben Jahren entschieden sie sich, ihr Schicksal aktiv anzugehen. Starkes Übergewicht liegt nämlich bei ihnen in der Familie. Doch gegen die eigenen Gene anzutrainieren, ist sehr schwer.

 

Gelenke, Herz, Lunge im Ausnahmezustand

 

Sie beginnen, dreimal pro Woche einen Kilometer zu gehen. Bei knapp 160 Kilo Körpergewicht ist das ein mühevolles Unterfangen. Die Gelenke, ihre Herzen, die Lungen: Ihre Körper sind im Ausnahmezustand. Schwerstarbeit. Aber sie bleiben dran, steigern sich auf fünf Tage in der Woche mit jeweils zwölf Kilometern. „Unsere schnellste Zeit für diese Strecke war damals eine Stunde und 38 Minuten“, erinnert sich Christian stolz.

 

Der gewünschte Effekt trat nicht sein – eher das Gegenteil

 

Es gab zudem Wochen, da ernährten sich beide pro Tag von jeweils 100 Gramm Nudeln plus zwei Kellen Soße als Hauptmahlzeit. Dazu ein paar Kleinigkeiten, so dass täglich maximal 2000 kcal zusammenkamen. Nicht viel also. Und doch trat nicht der gewünschte Effekt ein. Im Gegenteil, das Gewicht stieg bei beiden sogar auf jeweils rund 185 kg. Eine Erklärung? Die gab es nicht. „Das Blutbild war in Ordnung, die Hormone auch. Wir waren ratlos“, sagt Stefan. Er setzte phasenweise sogar seine starken Schmerzmittel ab, um Gewicht zu verlieren. „Sechs Kilo machte das, hauptsächlich Wasser, das ausgeschwemmt wurde.“

 

„Die beiden wussten, was sie wollten“

 

2017 läuft es dann aus dem Ruder. Sie essen reduziert, bewegen sich und doch wollen die Pfunde nicht purzeln. Sie melden sich in der Adipositas-Sprechstunde bei Dr. Bernd Kroes, Oberarzt in der Klinik für Chirurgie von Prof. Dr. Maximilian Schmeding. „Die beiden wussten absolut, was sie wollten, nämlich die OP“, erinnert sich Dr. Kroes an das erste Gespräch. So entschlossen seien die wenigsten beim Erstkontakt.

 

Multimodale Therapie

 

Doch so schnell ging das nicht. Eine OP lag 2017 noch in weiter Ferne. Damit die Krankenkasse nämlich einen solchen Eingriff übernimmt, müssen die Patienten einer multimodalen Therapie zustimmen. Das bedeutet, dass sie vor einer OP strukturiert neben Ernährung- und Psychotherapie auch Sport angehen und eine Selbsthilfegruppe regelmäßig besuchen müssen. Und das über mehrere Monate. „Adipositas wird nicht bekämpft, in dem wir als Chirurgen einfach nur was weg operieren. Das gesamte Leben der Patienten muss umgekrempelt werden“, erklärt Dr. Kroes.

 

„Unser T-Shirt schlabbert schon“

 

Der Experte entschied sich unter Einbeziehung der beiden Brüder für einen Magenbypass als Therapie. Das bedeutet, dass ein kleines Stück des Magens direkt an den Dünndarm angeschlossen wurde. Der Körper ist damit quasi in eine künstliche Mangelernährung versetzt. Fortan müssen die beiden Brüder deshalb auch ein Leben lang Vitamine (D und B12), Multivitamine und Calcium zu sich nehmen. Jetzt, gut drei Monate nach dem Eingriff ist das eingetreten, wonach sich die beiden Brüder über Jahre gesehnt hatten: Ihr Gewicht geht zurück. Bei Christian, der Ende November operiert wurde, sind es inzwischen schon 31 kg, bei Stefan, der gut zwei Wochen später auf dem OP-Tisch lag, immerhin 26 kg. „Unser T-Shirt schlabbert schon“, meint Stefan.

 

„Gebt nicht auf und bittet um Hilfe“

 

Anja Möller, Adipositas-Koordinatorin im Klinikum Dortmund, geht davon aus, dass die beiden auf ein Gewicht von jeweils um die 100 kg kommen – bei einer Größe von knapp 1,85m durchaus in Ordnung. „Wir würden uns auch schon über 120 kg freuen“, sagt Christian. „Wartet ab, wenn dann in knapp einem Jahr dann auch noch in einem weiteren Eingriff die Hautlappen der ehemaligen Fettschürze gestrafft werden, macht das noch mal 15 kg weniger“, prognostiziert Möller. Stefan und Christian schauen erstaunt. Sie freuen sich und bereuen keinen Moment, den Schritt zur OP gewagt zu haben. Entsprechend appellieren sie auch an alle, die mit dem Gedanken spielen: „Gebt nicht auf und scheut Euch auch nicht, um Hilfe zu bitten.“

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