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Klinikum Dortmund geht beim Schmerzmanagement innovative Wege

Wolken an der Decke, Urkunde in der Hand: Auch ohne Medikamente lassen sich Schmerzen lindern

Wer im Klinikum Dortmund nach einer OP im Aufwachraum des ZOPF liegend die Augen öffnet, hat freie Sicht. Nach oben hin schaut er auf flauschige Wolken, dazu auf strahlend blauen Himmel. Mit etwas Glück liegt man sogar dort, wo der Papierdrache im Wind segelt. Einziger Haken: Weder Wolken noch Drachen bewegen sich. Sie sind auf einer Fototapete angebracht, die an der Decke des Raumes klebt. Die Maßnahme ist Teil eines umfangreichen, wissenschaftlich bewiesenen Konzeptes im Klinikum, um – abgestimmt auf die medikamentöse Therapie – mögliche Schmerzen bei Patienten zusätzlich zu reduzieren.

So banal eine Fototapete im ersten Moment auch sein mag: Ziel ist es, dem Patienten in seiner Aufwachphase Ablenkung und Zerstreuung zu bieten. Ausgedacht hat sich die Idee Schmerzspezialist Stefan Heckner. Er ist Mitglied im siebenköpfigen Pain-Nurses-Team, eine Art „Anti-Schmerz-Spezialeinheit“, die es seit fünf Jahren im Klinikum gibt und stadtweit in dieser stationären Form einmalig ist. Von ihm stammt auch eine Idee für Kinder, die im Erwachsenen-Aufwachraum liegen: Sie erhalten nach der OP eine Tapferkeitsurkunde und den Stofftier-Rhino „Alex“. „Die Motivation war auch hier, die Kinder abzulenken. Zudem soll ihnen erspart bleiben, dass sie ihr Lieblingskuscheltier mit zur OP nehmen und dann im Nachhinein vielleicht sogar die OP mit ihrem Kuscheltier in Verbindung bringen“, erklärt Heckner. Urkunde und Rhino kriegen aber nur jene Kinder, die im „Erwachsenen-OP“ und nicht im Westfälischen Kinderzentrum Dortmund operiert werden. Im Kinderzentrum gibt es nämlich eh einen speziell auf Kinder ausgerichteten Aufwachraum, der u.a. Musik zur Ablenkung bietet.

Das Kratzen überdeckt den Juckreiz
„All diese Ansätze beruhen auf der sogenannten Gate-Control-Theorie. Sie besagt, dass jeder Reiz mit einem anderen Reiz überdeckt werden kann“, sagt Priv. Doz. Dr. Josef Zander, Direktor der Klinik für Anästhesiologie im Klinikum Dortmund. „Ein Beispiel für die Gate-Control-Theorie ist das Jucken: Wenn Sie einen Juckreiz haben, kratzen Sie sich an der Stelle. Warum? Weil Sie mit dem Kratzen einen Schmerzreiz verursachen, der den Juckreiz überdeckt.“ Auch bei Kindern sei dieses Prinzip in einem anderen Zusammenhang zu beobachten, dann nämlich, wenn sie hinfallen. Sie stehen auf, suchen ihre Mama und fangen an zu weinen. Die Mutter pustet dann an der Stelle, wo es weh tut. Und durch das Pusten wird der Schmerz überdeckt. Die Kinder hören auf zu weinen.

Schmerz ist leider nicht messbar
„Schmerz ist ein komplexes Phänomen, es gibt also nicht den einen Schmerz. Vielmehr lässt sich der Schmerz z.B. danach unterscheiden, wo etwa das Schmerzgefühl liegt und wie intensiv er ist. Deshalb befragen wir die Betroffenen auch intensiv“, sagt Priv. Doz. Dr. Zander. Schmerz ist ja leider nicht messbar.
Zudem interpretieren Menschen mitunter ein und denselben Schmerz unterschiedlich: Während ein Freizeitjogger Schmerzen in der Wade eher als harmlos abtut, widmet ein Spitzensportler dem gleichen Schmerz viel mehr Beachtung. Schließlich könnte dieser Schmerz seine Karriere kosten.

Gel-Kissen hilft bei Schwellung und Schmerzen
Apropos Sport: Oft arbeiten Sportmediziner mit Kälte als Schmerzstiller. Viele Rezeptoren des menschlichen Körpers nämlich, die auf Schmerzen empfindlich reagieren, nehmen auch Kälte war. Diesen Mechanismus macht sich auch das Pain-Nurse-Team am Klinikum zu nutze. Im Bereich der Orthopädie wurde die Kälteauflagerung durch gekühlte Gel-Kissen eingeführt. Kälte hilft also nicht nur bei Schwellungen, sondern auch, um das Schmerzempfinden zu blockieren.

Schmerzmittel-Einsatz lässt sich zum Wohle der Patienten reduzieren
Andrea Besendorfer, Pflegewissenschaftlerin am Klinikum Dortmund, ergänzt eine weitere Maßnahme: „Es klingt banal, aber im Rahmen des Schmerzmanagements weisen wir Patienten auch darauf hin, Fernsehen zu schauen oder Radio zu hören, und zwar verbunden mit der Aufforderung, sich auf diese Weise Ablenkung zu verschaffen.“ Zudem werden z.B. TENS-Geräte eingesetzt, die per elektrische Nervenstimulation eine Schmerzlinderung versprechen. Besendorfer erklärt, dass sich das Klinikum bereits seit 2004 mit dem Thema Schmerzmanagement intensiv beschäftigt und bei den Maßnahmen individuell auf jede Abteilung eingestellt hat. „Auf den Stationen gibt es dazu sehr gezielte Therapieschemata“, so Besendorfer. In Langzeitbeobachtungen konnte gezeigt werden, dass sich durch derartige Maßnahmen sogar der Schmerzmittel-Einsatz zum Wohle des Patienten reduzieren lässt.

Patienten müssen im Gespräch positiv verstärkt werden
Das fängt schon beim Patientengespräch an. Bereits dadurch können Schmerzen reduziert und Ängste genommen werden. „Man darf in einem Patientengespräch nicht gegen etwas sprechen, sondern muss den Patienten mitnehmen und ihn positiv verstärken“, sagt Priv. Doz. Dr. Zander. Das bedeutet, dass man einem Patienten nicht sagen darf, dass er doch bitte schön jetzt mal keine Schmerzen mehr haben soll. Das ist der gleiche Effekt, der eintritt, wenn man jemanden auffordert, nicht an einen rosa Elefanten zu denken. In dem Moment des gesagten Wortes denkt natürlich jeder erst einmal an einen rosa Elefanten.

Die „Holzlatte“ im Fußraum war etwas anderes
Seinen Studenten erzählt Priv. Doz. Dr. Zander gelegentlich die Geschichte eines Freundes, der in einen Autounfall geriet. Er war bei Bewusstsein, konnte aber nicht aus seinem Wagen, weil da eine Holzlatte an seinem Bein war. Zumindest war er der Überzeugung, dass es eine Latte war. Er zog an ihr, wollte sich befreien – bis er feststellte, dass diese Latte sein Schienbein war, das durch den Unfall freigelegt war. Der Verletzte sagte später, er habe, für ihn selbst kaum zu glauben, zu keinem Zeitpunkt Schmerzen verspürt.

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