Annette Buchner freut sich schon darauf, dass es endlich losgeht. Die Patientin am Klinikum Dortmund darf zum zweiten Mal die Videobrille von HappyMed aufsetzen und in eine andere Welt eintauchen. Den Film über das Meer hat sie schon gesehen. „Es sind wunderschöne Bilder.“ Sie freut sich auf ihren zweiten „Ausflug“.
dem Klinikalltag durch die VR-Brille entfliehen
Virtual-Reality-Brillen führen die Nutzer in eine zwei- oder dreidimensionale sich verändernde Umgebung. Dazu spielen Kopfhörer die passenden Geräusche ab. So werden die Nutzer:innen gefühlt ans Meer, in den Weltraum oder den Wald versetzt – weit weg vom Krankenhausalltag. Zudem können Achtsamkeits- und Entspannungstechniken ausgewählt und angewendet werden. Seit März 2024 nutzt das Klinikum Dortmund die VR-Brillen in der Kinderanästhesie und der Geriatrie zur Ablenkung und Entspannung. Da manchen Anwender:innen durch VR-Brillen schwindlig oder übel wird, arbeiten die Modelle in der Klinik mit 2D - wie in einem kleinen Privatkino.
In der Geriatrie helfen die Videobrillen den Patientinnen und Patienten, sich zu entspannen. Wenn der Klinikalltag anstrengend ist, können sie sich so für einen Moment ablenken und etwas Neues erleben. „Bei älteren Menschen wird der Aktionsradius in der Regel immer kleiner. Dank virtueller Hilfsmittel können wir ihnen trotzdem neue Räume eröffnen“, erklärt Dr. Nina Günther, Leitende Oberärztin in der Geriatrischen Klinik. Zusätzlich können positive Effekte ohne die Zuhilfenahme von Medikamenten erzielt werden. „Wenn Patienten beispielsweise mittels der Brille unter Wasser hinter einem Wal hergleiten, fühlen sie sich leichter und erleben neue Welten. Sie können dadurch von Schmerzempfindungen oder innerer Unruhe abgelenkt werden - eine Art virtueller Sedierung im besten Sinne.“
Ähnlich formuliert es auch Anja Ma, Psychologin in der Geriatrischen Klinik: „Die Videos anzuschauen oder die Achtsamkeitsübungen anzuwenden, sind Entspannungstechniken.“ Die Wirkung lasse sich gut beobachten: „Die Patienten bekommen eine ruhigere Atemfrequenz und haben weniger Muskelanspannung.“ Wer die Brille zur Förderung der Körperentspannung regelmäßig verwende, könne unter Umständen langfristig dadurch sogar seinen Blutdruck senken.
Das möchte auch Patientin Annette Buchner erreichen. Sie lässt sich von Anja Ma erklären, wie die Videobrille funktioniert, und erfährt, dass sich von der Laut- bis zur eigenen Brillenstärke alles einstellen lässt.
virtuelle Ablenkung im OP – weniger Angst und Schmerzmittel
Die Videobrille bietet aber nicht nur die Möglichkeit einer Entspannungstherapie. Ursprünglich wurde sie für die Anwendung bei Operationen entwickelt. Patientinnen und Patienten, die Angst vor dem Eingriff haben, können sich von angenehmen oder spannenden Videos ablenken lassen. Das gilt vor allem für Kinder. Vor, während und nach der Operation können sie so ihre Angst vor dem Eingriff vergessen. Damit das gelingt, gibt es eine vielfältige Auswahl an Videos, die über die Brille angeschaut werden können - von Meditationsvideos über klassische Konzerte bis hin zu Kinderserien.
Diese Ablenkung hilft auch bei der Behandlung. Patient:innen, die durch die Videobrille abgelenkt sind, brauchen weniger Schmerzmittel. So kann vor allem bei Operationen mit lokaler Betäubung auf einen Teil der Medikamente verzichtet werden, wodurch sich das Risiko für Nebenwirkungen verringert.
Dass die Patientinnen und Patienten mit den Videos die Welt entdecken können, ist ein schöner Nebeneffekt. „Ein Patient ist neulich durch den Weltraum geflogen“, erzählt Anja Ma. Ganz so hoch hinaus ist Annette Buchner noch nicht gekommen. Aber auch sie ist mit der Videobrille wieder auf Entdeckungsreise gegangen, diesmal in den Wald, wo sie den Wandel der Jahreszeiten erlebte. „Man kommt in eine ganz andere Welt. Das ist, als würde man ein gutes Buch lesen“, findet sie. Es sei schön, einmal nicht nur das Krankenzimmer zu sehen, deswegen habe sie diese Entspannungsmethode auch ihrer Bettnachbarin empfohlen. Die liebe auch die Natur.