Neu im Klinikum: Schrittmacher an der Blase verhindert unkontrollierten Urinverlust

Die Blicke der anderen taten weh. Hilflos schaute sie um sich. Alle sahen, dass etwas passiert war. Jolanta Durmay hatte es nicht mehr rechtzeitig auf die öffentliche Toilette geschafft. Die verdammte Tür war verriegelt. In aller Öffentlichkeit hatte sie sich also in die Hose machen müssen. Sie, eine gestandene Frau, 52 Jahre, Mutter zweier Kinder. Ihre Blase wollte schon seit längerem nicht mehr so wie sie. Tränen kamen. Die Frau war am Boden zerstört. – Zeitsprung: Inzwischen hat sie ihr Lachen zurück, besucht Freunde, plant wieder Reisen. Sie trägt einen der ersten Blasenschrittmacher, die im Klinikum Dortmund eingesetzt wurden. Eine Premiere für Dortmund.

Doch der Reihe nach, denn der Leidensweg davor war lang. Mit den Jahren wurde Jolanta Durmay depressiv, zuletzt wagte sie sich kaum noch aus dem Haus. Bis zu 18 Mal pro Tag musste sie zur Toilette. Selbst einfachste Besorgungen musste sie immer danach ausrichten, ob es irgendwo in der Nähe eine Toilette gab. Längere Autofahrten oder Flugreisen in ihre Heimat Polen waren für die Altenpflegerin undenkbar geworden. Auch im Beruf war sie aufgrund ihrer Inkontinenz, die durch eine überaktive Blase verursacht wurde („Dranginkontinenz“), eingeschränkt. „Ich hatte immer mindestens eine Hose samt Slip zum Wechseln dabei“, sagt sie. Zwischenzeitlich trug sie sogar Windeln, damit es nicht auffiel. Doch es half nur bedingt. Durmay bezieht inzwischen Erwerbsminderungsrente

 

„Ich dachte immer, Urologen sind nur für Männer“

Ärzte hatte sie viele gesehen in dieser Zeit, doch niemand konnte ihr so richtig helfen. Einer riet ihr beispielsweise, abzunehmen und damit den Druck von der Blase zu nehmen. Jolanta Durmay muss jedoch seit Jahren wegen einer anderen Erkrankung Cortison nehmen; abnehmen ist da nicht wirklich möglich. Ihre Verzweiflung wuchs, sie machte sich selbst Vorwürfe. Schon als Kind litt sie nämlich oft unter Harnwegsinfekte und kurierte diese stets mit Hausmittelchen aus. Den Gang zum Arzt wagte sie immer erst, wenn es fast zu spät war – und: „Ich dachte immer, dass Urologen nur für Männer zuständig sind“, sagt sie.

Leiterin der Sektion Inkontinenzchirurgie konnte ihr helfen

Dann nahm Jolanta Durmay allen Mut zusammen und fuhr von Soest aus nach Dortmund – allein solche Distanzen bedeuteten für sie ein Wagnis, da sie immer Angst davor hatte, es nicht rechtzeitig auf eine Toilette zu schaffen. Doch sie wollte ins Klinikum Dortmund. Dort in der Klinik für Urologie im Klinikzentrum Nord gibt es nämlich eine Ärztin, die ihr empfohlen wurde. Und richtig: Oberärztin Dr. Kathrin Kempken, Leiterin der Sektion Inkontinenzchirurgie (Foto), konnte Jolanta Durmay helfen. In einem kleinen Eingriff implantierte sie der Patientin einen Blasenschrittmacher; es war eine der ersten Geräteimplantationen im Klinikum Dortmund dieser Art.

 

Ein Draht schickt fortlaufend Strom über den Nerv an die Blase

Der Schrittmacher ist ungefähr vier Zentimeter groß und wird über einen kleinen Schnitt oberhalb des Gesäßes in den Körper eingesetzt. Unter Röntgen führen die Operateure dann eine Art Draht, der aus dem Gehäuse des Schittmachers ragt, an jenen Nerv, der die Blase kontrolliert. Hier wird der Draht befestigt und schickt fortan winzigste Strommengen (ca. 8 Milliampere) kontinuierlich über den Nerv an die Blase. Mediziner nennen das „sakrale Neuromodulation“. Das Ergebnis ist verblüffend: Der Drang lässt nach, die Blase entspannt.

Per Fernbedienung lässt sich der Blasenschrittmacher steuern

Jolanta Durmay kann es immer noch nicht fassen, dass dieses kleine Gerät ihr ihre Freiheit zurückgegeben hat. „Am Anfang gab es natürlich Leute, die mich fragten, ob ich was am Herzen habe, als sie erfuhren, dass ich einen Schrittmacher eingesetzt bekomme“, sagt sie. Sie selbst hatte aber keinen Moment Zweifel, sich das Gerät einsetzen zu lassen. Zwar gebe es jetzt durch die elektrischen Impulse stets ein leichtes Kribbeln, aber „das spüre ich kaum“, sagt sie. Per Fernbediengung, die sie immer bei sich führt, kann sie das Gerät von außen ein- und ausschalten. „Wenn ich zum Beispiel am Flughafen durch die Sicherheitskontrolle muss, soll ich es besser ausschalten, damit es dort nicht piepst“, sagt sie. Bald wird sie durch eine solche Schleuse gehen, denn Jolanta Durmay plant mit ihrem Mann im September tatsächlich eine Reise nach Ägypten – die erste Reise nach vielen Jahren.



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