Harninkontinenz
An der Urologischen Klinik wird die gesamte urologische Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz bei Mann und Frau durchgeführt. Ein besonderer Schwerpunkt stellt die Behandlung der Streßharninkontinenz sowie Blasendysfunktionen der Frau dar, die von Beckenbodendefekten verursacht werden.
Funktionelle Anatomie von Beckenboden, Vagina und unterem Harntrakt
Mit zunehmenden Alter klagen Frauen vermehrt über Streßharninkontinenz, die überwiegend durch Lockerungen des Beckenbodens verursacht sind. Abb. 1 zeigt die moderne Einteilung von Beckenbodendefekten, die in unterschiedlichem Ausmaß und Häufigkeit unterschiedliche Symptome verursachen können. Neben der Streßharninkontinenz werden auch Blasenentleerungsstörungen (Restharn), Pollakisurie/Urgency, Nykturie sowie Schmerzen im Beckenbereich verursacht, die berücksichtigt und therapiert werden können.
Die Vagina stellt ein wichtiges Stützelement für den unteren Harntrakt dar. Die sich füllende Blase wird stabil gehalten wie von einem "Trampolin" oder der "Membran einer Trommel". Hierbei spielen die anterioren und posterioren Ligamente sowie die pubozervikale und rektovaginale Faszie und deren Fixation am Arcus tendineus fasziae pelvis eine große Rolle. Sind diese Strukturen intakt können die Beckenbodenmuskeln (schwarze Pfeile im Bild) optimal zur Erzielung der Harnkontinenz wirken.
Symptome je nach Lage des Defekts
Durch Alterungsvorgänge, Geburtstraumen bzw. operative Eingriffe im kleinen Becken können wichtige Band- bzw. Faszien geschwächt oder zerstört werden, so daß Lockerungen auftreten. Man unterscheidet Defekte im hinteren Kompartiment (Level 1 n. deLancey) von Defekten im mittleren (Level 2) und vorderen Kompartiment (Level 3). Abb. 2 zeigt, in welcher Ausprägung bzw. Häufigkeit unterschiedliche Symptome bei den unterschiedlichen Defekten auftreten. Eine Streßharninkontinenz tritt hauptsächlich bei Defekten im vorderen Kompartiment auf (sog. Hammock-Hypothese nach Petros und Ulmsten), jedoch auch bei Defekten im mittleren und hinteren Kompartiment (Beinträchtigung des 2. Blasenhalsverschlussmechanismus). Eine Pollakisurie kann bei allen Defektlokalisationen in gleicher Ausprägung auftreten. Sie kann durch vorzeitige Aktivierung des Miktionsreflexes erklärt weren, indem bei zunehmender Blasenfüllung die Scheide und damit auch der Blasenboden tiefertritt, wodurch die Dehnungsrezeptoren (schwarze Punkte in Abb. 1) aktiviert werden.
Symptom- und defektorientierte Beckenbodenchirurgie
Durch eingehende urologische Untersuchungen werden Art und Ausmaß von Beckenbodendefekten diagnostiziert. Die Eingriffe sind minimal-invasive, rein vaginale Eingriffe, die die wichtige physiologische Stützfunktion der Scheide wieder herstellen sollen. Durch Konzentration auf die nicht-somatisch innervierten Teile der Vagina treten postoperativ nur geringe Wundschmerzen auf.
Teils wird zur Korrektur eigenes Gewebe (z. B. Brückenplastiken) verwendet. Bänder oder Netze aus Polypropylen dienen zum Ersatz defekter, mit alleiniger Naht nicht rekonstruierbarer Ligamente und Faszien. Die besondere Eigenschaft dieses Materials, eine mäßige Fibrosierung zu erzeugen, führt zur Bildung langfristig haltender Neoligamente oder - Faszien und somit zu langhaltenden Heilungen bzw. Besserungen.